Gespanntes Warten auf einen neuen Stern in der Nördlichen Krone
Der Sternenhimmel im Mai/Ein Ausbruch der Nova T Coronae Borealis steht bevor/Die Mondsichel begegnet den Zwillingssternen Kastor und Pollux
In der Kantate zum Frühling in Joseph Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ beginnt ein Rezitativ mit den Worten: „Vom Widder strahlet jetzt die helle Sonn‘ auf uns herab…“. Dies ist auch astronomisch gesehen korrekt, denn unser Tagesgestirn hält sich tatsächlich vom 18. April bis zum 14. Mai im Sternbild des Widders auf. Anschließend wechselt die Sonne in den Stier und erreicht dann schon fast sommerliche Höhen am Himmel. Viele Menschen empfinden den Mai wohl als schönsten Monat des Jahres, aber Sternfreunde werden den kommenden Wochen eher mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Denn der hohe Sonnenstand bedeutet auch, dass man abends jetzt sehr lange warten muss, ehe sich ein Blick zum Sternenhimmel lohnt. So herrscht zu Monatsanfang zwar noch von 23.30 Uhr bis 3.15 Uhr astronomische Dunkelheit, aber in den letzten Maitagen beginnt auf unseren Breiten die Zeit der Mitternachtsdämmerung, in der es die gesamte Nacht über leicht dämmrig bleibt.
Der Mond ist in den ersten Maitagen mit abnehmender Phase am Morgenhimmel zu sehen und erreicht am 1. das letzte Viertel im Sternbild Steinbock. Am Morgen des 4. begegnet die inzwischen schon schmal gewordene Mondsichel dem Saturn, der allerdings kurz vor 5 Uhr, wenn beide Gestirne in fortgeschrittener Dämmerung niedrig über dem Osthorizont stehen, nicht einfach zu erkennen sein wird. Der Ringplanet steht im Mai erst am Anfang einer neuen Sichtbarkeitsperiode und kommt noch nicht recht zur Geltung. Das gilt ebenso auch für Mars, der sich erst in den letzten Monatstagen in der Morgendämmerung bemerkbar macht.
Zu Neumond am 8. hat der Erdtrabant die Sonne eingeholt und zieht dann gemeinsam mit ihr über den Taghimmel. Aber schon am nächsten Abend kann man die haarfeine Sichel des jungen Mondes wieder in der Abenddämmerung tief im Nordwesten erspähen, und für die nächsten zwei Wochen zeigt sich der Mond dann am Abendhimmel. Dabei bietet sich am späten Abend des 12., wenn es dunkel genug geworden ist, ein hübscher Himmelsanblick, wenn die Mondsichel am Westhimmel dicht bei den Zwillingssternen Kastor und Pollux steht. Am 15. tritt das Erste Viertel im Sternbild des Löwen ein, und an diesem Abend ist der Halbmond dicht über Regulus, dem Löwenhauptstern, zu sehen. Auch in der Vollmondnacht vom 23. auf den 24. zeigt sich der Mond neben einem Hauptstern. Diesmal ist es der rötlich funkelnde Antares im Sternbild Skorpion, der neben der voll beleuchteten Mondscheibe steht. Er wird allerdings wegen des grellen Mondlichtes nicht gut zu erkennen sein. Nach Vollmond zieht sich unser Trabant an den Morgenhimmel zurück. Dabei erreicht er am 30. das Letzte Viertel und begegnet am 31. zum zweiten Mal in diesem Monat dem Saturn.
Gegen Mitternacht ist es in Mainächten dunkel genug geworden, um nach den Sternbildern Ausschau halten zu können. Am einfachsten ist dann der Große Wagen zu finden, man braucht dazu nur senkrecht nach oben zu schauen. Über dem Westhorizont sind noch die Zwillingssterne Kastor und Pollux sowie die helle Kapella im Fuhrmann als letzte Nachzügler des Winterhimmels zu sehen. Der Löwe mit seinen einprägsamen Umrissen und dem Hauptstern Regulus sowie die Jungfrau mit der hellen Spica nehmen den Südwesthimmel ein. Hoch im Süden zeigt sich der Bootes (Bärenhüter) mit seinem gelblich leuchtenden Hauptstern Arktur. Arktur gehört mit einer Entfernung von 37 Lichtjahren zu den nahen Sternen und ist nach Sirius der zweithellste Stern, der auf unseren Breiten zu sehen ist.
Nach links schließt an den Bootes das kleine, aber feine Sternbild der Nördlichen Krone an, lateinisch Corona Borealis. Es ist auch auf unserer Karte verzeichnet und besteht aus sieben Sternchen, die einen nach oben offenen Halbkreis bilden. Diese Figur ist markant genug, dass sie schon zu den in der Antike bekannten 48 Sternbildern gehörte. Nach der griechischen Mythologie war dieses Sternbild die mit Edelsteinen verzierte Krone von Ariadne, der Tochter des Königs Minos von Kreta. Während die meisten Sterne der Nördlichen Krone nur ziemlich schwach leuchten, sticht ihr Hauptstern deutlich heraus. Er heißt Gemma, was lateinisch Edelstein bedeutet. Gemma ist 67 Lichtjahre von uns entfernt und etwa dreimal so groß wie unsere Sonne.
In der nächsten Zeit werden sich viele Blicke gespannt auf dieses Sternbild richten. Es wird nämlich erwartet, dass dort bald ein „neuer“ Stern aufleuchtet, eine sogenannte Nova. Sie soll für wenige Tage so hell wie Gemma leuchten, so dass in der Nördlichen Krone dann ein weiterer Edelstein funkelt. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, sind Novae keine wirklich neuen Sterne. Wir beobachten dabei eigentlich nur, dass ein vorher unscheinbarer, kaum beachteter Stern plötzlich für Tage oder Monate um viele Größenklassen heller und dadurch erst auffällig wird. Ursache hierfür ist ein Ereignis in einem Doppelsternsystem, das aus einem sogenannten Weißen Zwerg und einem stark aufgeblähten Roten Riesenstern besteht. Von diesem Sternriesen strömt Wasserstoff zum Weißen Zwerg über, sammelt sich auf dessen Oberfläche an und erhitzt sich immer mehr, bis der Wasserstoff in einer gewaltigen atomaren Explosion zündet und der Stern an unserem Himmel aufleuchtet.
Dieser Vorgang kann sich nach langer Zeit auch wiederholen, man spricht dann von einer rekurrierenden Nova, und um eine solche handelt es sich bei jetzt erwarteten Nova. Der betreffende Stern heißt T Coronae Borealis, kurz T CrB, und lässt sich im Fernrohr als ein meistens nur schwaches Objekt beobachten. In der Vergangenheit ereigneten sich aber schon mehrere enorme Helligkeitsausbrüche von T CrB, die sich im Abstand von ungefähr 80 Jahren zu wiederholen scheinen. Der letzte Ausbruch erfolgte im Jahr 1946, und bestimmte Vorzeichen deuten aktuell darauf hin, dass mit einem erneuten Aufleuchten des Sterns in den nächsten Monaten zu rechnen ist.